JULIA. Brennacher + Haugeneder

Fragt man Bildhauer*innen, was sie tun, erhält man häufig Tätigkeitsworte wie „falten, lehnen, biegen, schneiden“ zur Antwort, die alle Richard Serras legendärer Liste entnommen sein könnten, der Verb List Compilation. Actions to Relate to Oneself von 1967/68. Bereits über 70 Jahre zuvor äußert Maurice Denis zur Malerei, ein Bild sei noch bevor es irgend etwas darstellt, „im wesentlichen eine plane Fläche, die in bestimmter Ordnung mit Farben bedeckt ist.“ Die Frage nach den grundlegenden Bedingungen der Medien der Kunst erfährt heute mit der fortschreitenden Mediatisierung der Welt eine neuerliche Zuspitzung, die in der Gegenüberstellung von Malerei und Skulptur von Julia Brennacher und Julia Haugeneder produktiv gemacht wird. Es sind nicht nur die offensichtlichen Schnittstellen zwischen den Medien, etwa die Verräumlichung der Farbe und Bildhaftigkeit der Objekte, die in der Konstellation der beiden Positionen so wunderbar zutage treten, sondern Aspekte von Bewegung und Performativität, die hier virulent werden. 

 

Julia Haugeneder arbeitet mit Buchbinderleim, den sie mit Pigmenten und Gips mischt und flächig ausschüttet, um die so entstandenen dünnen Folien anschließend zu handlichen Päckchen zu falten, die teilweise mit Verpackungsmaterial, mit Luftpolsterfolie gefüllt sind. Sie lenkt das Ausufernde, Informelle in geregeltere Bahnen und bringt das Ergebnis der Schüttung in eine gewisse Ordnung. Die prozessorientierte Formgebung ist unmittelbar nachvollziehbar, läßt sie sich doch mit alltäglichen Handlungen abgleichen, wie etwa Strudelteig ziehen und einschlagen, Wäsche falten etc.. Man ist als Rezipient*in versucht, die Objekte eigenhändig zurecht zu rücken und ihre taktilen Eigenschaften zu testen. Form und Anordnung im Raum können durchaus gegenständlich gelesen werden und erinnern in Salzburg nicht von ungefähr an Tortenstücke von Tomaselli. Zunächst einmal sind sie aber eine Auseinandersetzung mit dem Material, Folgen von Aktivitäten, die sich in der Dynamik von Umsetzung und Rückkopplung in den Faltungen manifestieren.

 

Vergleichbar ist die Geste in Julia Brennachers seriell angelegten Arbeiten weniger Ausdruck als Organisation in den Grenzen des Bildfelds, in dem sie sich ausdehnt. Sie folgt den Möglichkeiten, die sich aus den Bedingungen, Format, Leinwand, Malmittel ergeben. Und sie beobachtet sich dabei. Die Linie stellt sich als Linie aus. Die malerische Spur führt durch den geschichteten Bildraum. Sie delegiert die Denkbewegung, die sich in ihr ausdrückt, zurück an die Betrachter*innen. Diese erfahren die eigene Wahrnehmung als Bewegung, die zudem über die einzelne Arbeit hinaus geht und von Bild zu Bild Verknüpfungen herstellt - „visuelle Seilschaften“ wie Brennacher sagt. Damit rückt die gesamträumliche Präsentation wieder ins Blickfeld. Es wurde eben nicht nur Farbe auf Flächen verteilt. Sie entfaltet sich in den Raum und darüber hinaus. Einige Bilder stehen auf Sockeln und lehnen an der Wand. Sie verweisen wie die Skulpturen von Julia Haugeneder auf Handlungen im Atelier, denn dort werden sie üblicherweise auf kleinen Holzklötzchen abgestellt. 

 

Der Ausstellungstitel JULIA suggeriert eine Art Verwandtschaftsverhältnis der Arbeiten, die dessen ungeachtet einige Unterschiede offenbaren. Aber innerhalb eines dialogischen Settings begegnen sie sich zugleich komplizenhaft und kontroversiell. Genau das ist es, was Kunst kann: Ambivalenzen provozieren, statt sie zuzuschütten, kommunizieren, vergleichen, vervielfältigen, auffächern, differenzieren... 

 

Text: Anette Freudenberger