NEUER STANDORT
Franz-Josef-Straße 5 | 1. Stock
5020 Salzburg
„Sichtbarkeit enthüllt die Identität eines Gegenstandes, einer Farbe, einer Form: Identität ist der Schluss aus der Sichtbarkeit, aber diese Identität hat nichts zu tun mit dem Prozess der Sichtbarkeit, der ebenso unfassbar, ebensosehr eine Form von Energie ist wie das Licht selbst.“ (John Berger)
Die jüngsten Bilder von Bertram Hasenauer bewegen sich an der Grenze des Sichtbaren. Köpfe, Gesichter androgyner Personen erscheinen schwarz in schwarz. In Frontal- oder Seitenansicht, auch mal zu zweit, sind sie durch keinerlei Merkmale wie Schmuck oder eine besondere Frisur zeitlich verankert und könnten in der Gegenwart, der Zukunft oder der Vergangenheit existieren.
Für ihre Darstellung feilte der Künstler mehrere Jahre hinweg an einer eigenen Technik. Er arbeitet mit Lackauftrag und Glasradierer; oder er zeichnet mit Silberstift auf Gesso. Dabei trägt er in zahllosen Schichten das Bild auf. So entsteht eine Oberfläche, die eine haptische Materialität besitzt und das Licht auf komplexe Weise reflektiert. Aus manchen Blickwinkeln erscheinen die Bilder, je nach Beleuchtung, bisweilen als abstrakte schwarze Flächen. Die Gesichter in ihnen zeigen oder verbergen sich mit dem Wechsel des Standorts des Publikums und dem Licht, dessen Einfall sich in den Räumlichkeiten der Galerie mit dem Tageslauf stetig ändert. Es ist, als gäben diese Bilder die Identität ihres Gegenstandes nicht ganz freiwillig preis und ließen sie bald wieder verschwinden.
In seiner Arbeit stellt Bertram Hasenauer schon seit längerer Zeit keine konkreten Personen dar; insofern sind sie nicht als Porträts im engeren Sinn zu lesen, ebenso wenig als fotorealistische Darstellungen. Lieber hält er die „Dinge in der Schwebe“, wie er sagt. Das trifft auch auf die anderen Werke in der Ausstellung zu, Ausschnitte von Körpern wie etwa den Teil eines rosa Hemds, eine Oberkörperpartie, eine locker auf dem Knie abgelegte Hand, einen Haarknoten. Wie die Porträts sind auch diese Details nicht spezifiziert, beispielsweise durch Stoffmuster, Spangen oder Ringe. Wie weit, könnte man fragen, muss man in diese Bilder noch hineinzoomen, um sie völlig abstrakt werden zu lassen?
In einem 2023 begonnenen Werkkomplex ruft Hasenauer die Jahrhunderte alte Technik des Trompe l’oeils in Erinnerung: Acrylmalereien, die erscheinen, als wären sie zweimal gefaltet – wie ein Bild, das man mit sich trägt, einen Zeitungsausschnitt, den Ausdruck eines Fotos vielleicht? Sie suggerieren, dass mit ihnen etwas geschehen ist zwischen dem Gemalt-, Transportiert- und Aufgehängt-Werden. Und sie weisen in andere Medien. Das Auge switcht, wie in einem Vexierbild, ständig zwischen den Medien – ist es Malerei, ist es ein Foto, ist es eine Zeichnung? So stellen Bertram Hasenauers Werke in der Ausstellung „SILVER SAND“ den von John Berger beschriebenen „Prozess der Sichtbarkeit, der ebenso unfassbar, ebenso sehr eine Form von Energie ist wie das Licht selbst“ neu zur Disposition.
Text: Nina Schedlmayer, 2024
John Berger: „Über Sichtbarkeit“, in: ders., „Das Sichtbare und das Verborgene. Essays“, Frankfurt 1999, S. 235.
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